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Das gemeindliche Einvernehmen, die Veränderungs­sperre und die planungsrechtliche Privile­gie­rung in der Zulassungspraxis von Entsorgungsanlagen

Martin Dippel
Keywords: gemeindliches Einvernehmen, Veränderungssperre, planungsrechtliche Privilegierung, Zulassung von Entsorgungsanlagen, BauGB, privilegierte Vorhaben, Abfallbeseitigungsanlage


Die Bedeutung einer gesicherten Abfallentsorgung als Teil des Wirtschaftskreislaufs liegt auf der Hand, wenn man sich verdeutlicht, dass in Deutschland ca. 400 Mio. Tonnen Abfälle jährlich entsorgt werden müssen. Das geschieht in etwa 15.000 Anlagen, die entweder nur der Abfallentsorgung dienen oder in denen Abfälle stofflich oder energetisch verwertet werden. Deutschland braucht seine Entsorgungsinfrastruktur. Die materiellen Standards, die solche Vorhaben im Genehmigungsverfahren erfüllen müssen, sind detailliert und anspruchsvoll. Gleichwohl sind Entsorgungsanlagen nicht beliebt, und in den letzten Jahren lässt sich in der Praxis von Genehmigungsverfahren zunehmend feststellen, dass solche Anlagenplanungen – sogar für einfache Anlagen wie z. B. Umladestationen, erst recht aber für komplexere Anlagen wie Abfallverbrennungsanlagen – auf Widerstand stoßen, der sich durchaus weit von der Wahrnehmung nachbarlicher Belange entfernen kann. Die Praxis solcher Genehmigungsverfahren zeigt, dass Standortkommunen und ihre politischen Mandatsträger für solchen Widerstand in vielen Fällen empfänglich sind. Das wiederum bleibt nicht ohne Einfluss auf die Mitwirkung der Gemeinde in solchen Verfahren. Der Beitrag geht den bauplanungsrechtlichen Fragen nach, die sich in verfahrensrechtlicher Hinsicht in diesen Fällen stellen. Er schildert kurz das Regelungssystem der §§ 36, 38 BauGB und befasst sich dann ausführlich mit dem Prüfungsrecht der Gemeinde im Zulassungsverfahren für Entsorgungsanlagen vor dem Hintergrund der Entscheidung über das gemeindliche Einvernehmen (§ 36 BauGB), der Ersetzung des Einvernehmens und der Möglichkeit einer Veränderungssperre (§ 14 BauGB). Der Verfasser plädiert hier für eine kritischere Sichtweise der Gerichte bei der sich in der gerichtlichen Normenkontrolle ggf. stellenden Frage, ob eine Planung nur „vorgeschoben“ ist, um ein Vorhaben zu verhindern, oder ob die Veränderungssperre zwar durch das Vorhaben ausgelöst ist, aber dahinter ein „echter“ Planungswille der Gemeinde steht. Im Anschluss daran befasst sich der  Beitrag mit den Anwendungsfragen des § 38 BauGB. Er geht zunächst mit Blick auf Entsorgungsanlagen auf die Frage ein, was ein Vorhaben zu einem solchen von überörtlicher Bedeutung macht. Sodann kommt der Beitrag auf den nach Auffassung des Verfasser heute weitgehend leerlaufenden Begriff der „Abfallbeseitigungsanlage“ in § 38 BauGB zu sprechen; solche Anlagen sollen durch § 38 BauGB privilegiert werden. Hier wird eine Änderung des § 38 BauGB vorgeschlagen, wonach der Begriff der „Abfallbeseitigungsanlage“ in § 38 BauGB durch den Begriff der „Abfallentsorgungsanlage“ ersetzt werden sollte.

Prof. Dr. Martin Dippel ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht bei BRANDI Rechtsanwälte, Standort Paderborn. Der vorliegende Beitrag ist aus einem Vortrag hervorgegangen, den der Verfasser am 29.11.2019 anlässlich der Berliner Abfallrechtstage 2019 gehalten hat. Ähnliche Überlegungen hat der Verfasser mit etwas anderer Schwerpunktsetzung auch bereits in 2019 veröffentlicht, vgl. Dippel, Entsorgungsinfrastruktur im Regelungssystem der §§ 36, 38 BauGB, in: Schlacke/Beaucamp/Schubert, Infrastruktur-Recht, Festschrift für Wilfried Erbguth zum 70. Geburtstag, 2019, S. 379 ff.

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